Klimakrise 2020: Es läuft miserabel

Ein Gastbeitrag auf t-online.de von Nick Heubeck 24.07.2020, 19:11 Uhr

Klimakrise: Wir können uns keine Fehlentscheidungen mehr leisten. Waldbrände in Sibirien: Eine Hitzewelle sorgt am arktischen Zirkel für zahllose Feuer. (Quelle: imago images/ITAR-TASS)

Waldbrände in Sibirien: Eine Hitzewelle sorgt am arktischen Zirkel für zahllose Feuer. (Quelle: ITAR-TASS/imago images)

Das Jahr 2020 zeigt deutlich, dass die Auswirkungen der Klimakrise bereits jetzt spürbar sind. Um das Schlimmste zu verhindern, muss jetzt gehandelt werden, meint Nick Heubeck von Fridays for Future.

Schmelzendes Polareis, Dürren, Heuschreckenplagen und eine verheerende Hitzewelle in Sibirien: Auch wenn die Corona-Krise vorübergehend zu einem Rückgang der Treibhausgasemissionen geführt hat, schreitet die Klimakrise weiter voran. Dennoch bleiben die notwendigen politischen Entscheidungen aus. Zeit, dass die Klimabewegung das Thema wieder ins Bewusstsein der Bürger und Entscheidungsträger rückt, erklärt Nick Heubeck von Fridays for Future im Gastbeitrag für t-online.de.

1,3 Grad: um so viel waren die vergangenen zwölf Monate heißer als in der vorindustriellen Zeit. Damit war diese Periode die heißeste jemals gemessene – mit historischen Bränden in Australien, Brasilien und der Arktis sowie Hurrikans auf den Bahamas. Um die Folgen der Klimakrise zu beobachten, reicht aber schon der Blick in den nächsten Wald: Auch hierzulande bahnt sich diesen Sommer das nächste Baumsterben und damit schon wieder eine Katastrophe an.

Laut Wissenschaftlerinnen könnten wir bereits in wenigen Jahren die kritische 1,5-Grad-Grenze, die auch im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben ist, überschreiten. Um das abzuwenden, muss das laufende Jahr zum Klimajahr werden. Wenn wir unsere Volksvertreter, aber auch Konzernchefs nicht dazu bringen, die Emissionen drastisch zu reduzieren, wird sich die Erhitzung schnell durch sogenannte Kipppunkte verselbstständigen und damit unkontrollierbar. Es liegt in unserer Hand, diese Katastrophe zu verhindern.

Es läuft miserabel

Nach der ersten Hälfte des Jahres 2020 können wir sagen: Es läuft miserabel. Im deutschen 130-Milliarden-Euro-Paket, das im Juni beschlossen wurde, blieben die notwendigen Investitionen für den Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität aus. Und obwohl die Klimakrise von der Mehrzahl der Deutschen als das wichtigste Thema der laufenden EU-Präsidentschaft angegeben wird, fiel sie im europäischen Corona-Konjunkturpaket genauso wie im EU-Haushalt vollständig unter den Tisch. 

In der Pandemie wurden Investitionen eines ganzen Jahrzehnts auf wenige Monate vorgezogen. So treffen uns die Folgen der heutigen Entscheidungen nicht nur wegen ihrer langfristigen Auswirkungen auf unsere Lebensgrundlagen – in den nächsten Jahren wird es kaum größere finanzielle Spielräume geben, diese Entscheidungen zu korrigieren. Oder wann denken Sie, wird die EU das nächste Mal 1,8 Billionen Euro an einem verlängerten Wochenende verhandeln? Eben.

Wir können uns keine Fehlentscheidungen mehr leisten

Der logische Schluss: Wir können uns in den kommenden Monaten keine Fehlentscheidungen mehr leisten. Und es steht viel an. Im September verhandelt die EU ihr Klimaschutzgesetz inklusive neuer Klimaziele und der Entscheidung darüber, ob wir weiter Milliarden Euro an Steuergeldern pro Jahr in die Verbilligung von Kohle, Öl und Gas stecken werden. Wenige Wochen später wählen die US-Bürger einen neuen Präsidenten.

Laut Expertinnen wartet China auf beide Ereignisse, um die eigene Klimapolitik darauf abzustimmen – die drei größten Verursacher der Klimakrise könnten ihre Emissionen also entweder massiv herunterschrauben oder sie so stagnieren lassen, dass die Katastrophe nicht mehr abzuwenden ist.

Es gibt also nur eine Möglichkeit: Die gesellschaftlichen Massenproteste für die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens müssen zurückkommen. Natürlich hat die Pandemie auch diese zurückgeworfen. Wir Aktivistinnen mussten uns in der neuen Situation persönlich zurechtfinden, Straßenproteste wurden unmöglich und wir haben uns erst einmal auf die Unterstützung der Wissenschaft für die Corona-Regeln konzentriert. In der Zwischenzeit haben wir zwar die weltweit größte Online-Demonstration veranstaltet und die Autokaufprämie verhindert – doch das reicht nicht. Deshalb werden wir am 25. September den nächsten globalen Klimastreik veranstalten. 

Streik in Corona-Zeiten wird anders aussehen

Natürlich werden wir dabei keine 1,4 Millionen Menschen auf die Straßen in Deutschland bringen wie bei unserem größten Aktionstag im vergangenen Jahr. Zu unsicher ist die Situation, zu sehr werden wir darauf achten, niemanden zu gefährden. Doch wir werden alles daran setzen, unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen kreative Aktionen in Hunderten Städten Deutschlands und Tausenden weltweit zu veranstalten.

Denn die führenden Klimawissenschaftlerinnen und Ökonomen sind sich einig: Um im Rahmen des 1,5-Grad-Ziels aus Kohle, Öl und Gas auszusteigen, müssen wir damit in den nächsten Monaten beginnen. Die heutigen Entscheidungen werden die Lebensgrundlagen der Menschen auf unserem Planeten für Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, beeinflussen. Deshalb haben wir das Jahr 2019 gemeinsam zum Klimajahr gemacht. Lasst uns alles daran setzen, 2020 nun zum Klima-Entscheidungsjahr zu machen.

Nick Heubeck ist 21 Jahre alt und studiert Kommunikation und Politik in Bamberg. Er ist seit Anfang 2019 bei Fridays For Future aktiv und ist dort für Digitales und Presse verantwortlich.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.
(HG/Zy)